Beispielbild Trennungsjahr

Zwischen Gestern und Morgen - das Trennungsjahr als Wendepunkt

Gastartikel von Niklas Clamann

Die Entscheidung, sich von seinem/seiner Ehepartner:in zu trennen, ist wohl eine der einschneidensten und komplexesten Erfahrungen im Leben. Neben den emotionalen Herausforderungen spielen auch rechtliche Aspekte eine entscheidende Rolle. Insbesondere im Familienrecht hat das „Trennungsjahr“ eine herausragende Bedeutung.
Mein Name ist Niklas Clamann, ich bin als Anwalt auf das Familienrecht spezialisiert. Ich betreibe eine eigene Kanzlei in Münster und unterstütze meine Mandant:innen besonders beim Scheidung einreichen, bei der Suche nach den für sie besten Regelungen der Scheidungsfolgen und im Gerichtsverfahren. In diesem Artikel möchte ich mich mit dem Konzept des Trennungsjahres befassen, seine Bedeutung für Eheleute erklären und die möglichen Chancen aufzeigen, die das Trennungsjahr bietet.

Das Trennungsjahr: Die rechtliche Grundlage der Scheidung

Das Trennungsjahr ist ein Kernelement des deutschen Familienrechts und grundsätzlich Voraussetzung einer Scheidung. In § 1565 Abs. 1 BGB heißt es:

„Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen.“

Das Trennungsjahr ist dabei der Indikator für das Scheitern der Ehe. Es wird durch die Trennung der Eheleute über mindestens 12 Monate symbolisiert. Ziel dieser Regelung ist es, den Ehepartner:innen eine Phase der Reflektion zu gewähren. Sie sollen Zeit haben, ihre Gefühle, Gedanken und Wünsche zu sortieren, um letztendlich eine sichere Entscheidung über ihre gemeinsame Zukunft zu treffen.

 

Beispielbild nachdenkliches Paar

Die Durchführung des Trennungsjahres: Die Trennung von „Tisch und Bett“

1. Die räumliche Trennung

Die Eheleute müssen eine klare räumliche Trennung vollziehen und ihre Ehewohnung als solche auflösen. Am einfachsten gelingt das, indem ein:e Partner:in auszieht oder sich beide Partner:innen eine andere Unterkunft suchen. Unter gewissen Umständen, etwa weil die finanzielle Belastung zu hoch wäre oder ein schneller Auszug das Wohl gemeinsamer Kinder beeinträchtigen würde, ist dieser klare Umbruch nicht möglich. Die Eheleute können dann auch in der bisherigen, gemeinsamen Wohnung das Trennungsjahr durchleben. Dafür müssen jedoch die Gemeinschaftsräume aufgeteilt und die Schlafzimmer getrennt werden. Bad und Küche können nach wie vor gemeinsam genutzt werden. Als Faustregel kann man sich merken: Man lebt nicht mehr mit-, sondern nebeneinander.

2. Getrennte Haushalte

Die finanzielle und praktische Trennung der Haushalte ist ebenfalls eine Säule des Trennungsjahres. Sie bedeutet, dass die Ehepartner:innen ihre finanziellen Angelegenheiten voneinander trennen. Dazu gehören etwa separate Bankkonten und die individuelle Zahlung von Rechnungen. Auch sollten die Eheleute ihre Lebensmittel- und Haushaltsausgaben trennen und im Falle einer gemeinsamen Wohnung den anfallenden Haushalt wie Wäsche und Putztätigkeiten unabhängig voneinander erledigen. Hier gilt: Das Zusammenwirken sollte nicht einer Ehe, sondern einer Zweck-Wohngemeinschaft oder einem Untermieterverhältnis ähneln.

3. Eigenständigkeit im Alltag

Die Eheleute sollten während des Trennungsjahres unabhängig voneinander agieren und ihre Entscheidungen allein treffen. Dazu gehören die Organisation der eigenen Termine, soziale Aktivitäten und die Durchführung von Hobbys. Wenngleich diese Trennung im Fall gemeinsamer Kinder am schwersten erscheint, sollten auch gemeinsame Aktivitäten weitgehend vermieden werden, um die Trennung so deutlich wie möglich zu gestalten.

Beispielbild Frau geht eigenständig einer Aktivität nach (Spazieren)

4. Klärung rechtlicher Aspekte

Während des Trennungsjahres sollten die rechtlichen Aspekte der Scheidung geklärt werden. Dazu gehört insbesondere der Kindesunterhalt, also die finanzielle Unterstützung der gemeinsamen Kinder, um die Deckung ihrer Bedürfnisse sicherzustellen. In einigen Fällen kann während des Trennungsjahres auch der Ehegattenunterhalt eine Rolle spielen. Damit gemeint ist der finanzielle Betrag, den ein:e Ehepartner:in dem/der anderen Ehepartner:in zahlt, um eine wirtschaftliche Gleichstellung aufrechtzuerhalten. Ebenfalls bedeutsam sind etwa die Sorgerechts- und Umgangsregelungen für gemeinsame Kinder und die Aufteilung des Vermögens. Je fairer und intensiver sich die Eheleute mit diesen Aspekten im Trennungsjahr und damit schon vor der tatsächlichen Scheidung auseinandersetzen, desto harmonischer läuft diese später ab. Es ist ratsam, diese Vereinbarungen schriftlich festzuhalten, um späteren Missverständnissen vorzubeugen.

Chancen im Trennungsjahr: Eine Zeit des Wandels und der Selbstfindung

Das Trennungsjahr dient den Eheleuten dazu, sich von den unmittelbaren emotionalen Belastungen der Beziehung zu distanzieren und ihre Gedanken neu zu ordnen. Es ermöglicht eine Entschleunigung und bietet Raum, um sich selbst und die Beziehung aus einer objektiven Perspektive zu betrachten: Wer bin ich? Wo stehe ich und wo will ich hin? Woran ist die Beziehung gescheitert? Und gibt es eine Möglichkeit, das zu ändern und die Ehe zu retten? Das Trennungsjahr kann auch dazu führen, die Eheleute ihr Zusammensein neu bewerten und zu dem Schluss kommen, dass die Trennung nicht unvermeidlich ist.

Beispielbild Paargespräch

Die Rolle des Beziehungscoachings: Ein Weg zur Neuausrichtung

Beziehungscoaching kann eine wertvolle Ergänzung der Trennungsphase sein. Ein:e qualifizierte:r Coach:in kann dazu beitragen, die Kommunikation zwischen den Eheleuten zu verbessern, Konflikte zu lösen und Wege zur Neuausrichtung der Beziehung zu finden. Durch gezielte Gespräche und Techniken zur Konfliktbewältigung können selbst tief verwurzelte Probleme identifiziert und angegangen werden. Dieser Ansatz ermöglicht es den Eheleuten, klare Vorstellungen von ihren individuellen und gemeinsamen Bedürfnissen und Zielen zu entwickeln.

Mockup Beziehungsjournal

Gerade wenn es in deiner Beziehung herausfordernd wird und Konflikte auftreten, kann mein Beziehungsjournal dir einen neuen Fokus ermöglichen.  Du findest darin Anregungen für Neues, Reflexionsfragen und damit ein Werkzeug, das dir hilft, über die Probleme nachzudenken und deinen Fokus auf die positiven Aspekte in deiner Partnerschaft zu lenken.

 

Die Unterbrechung des Trennungsjahres: Die Rückkehr zur ehelichen Gemeinschaft

Die Reflektion der Beziehung ist fundamentaler Bestandteil des Trennungsjahres und wird von Gerichten nicht durch eine Unterbrechung des Trennungsjahres und damit eine spätere Scheidung „bestraft“. Nehmen die Eheleute jedoch ihr gemeinsames Zusammenleben wieder auf oder versöhnen sich mit dem Wunsch, die Ehe fortzusetzen, wird das Trennungsjahr unterbrochen. Es beginnt dann von Neuem, wenn eine erneute Trennung eintritt. Hier ist wichtig zu betonen, dass die Unterbrechung des Trennungsjahres von Fall zu Fall unterschiedlich behandelt werden kann. Ein:e erfahrene:r Anwält:in kann dir helfen, dich über die rechtlichen Konsequenzen deiner konkreten Situation zu informieren und die richtigen Schritte zu unternehmen.

Beispielbild achtsames Zuhören im Gespräch

Abschließende Gedanken: Das Trennungsjahr als Prozess der Transformation

 

Das Trennungsjahr ist mehr als nur eine Frist. Es ist ein Prozess der Transformation. Es bietet den Eheleuten die Möglichkeit, ihre Gedanken zu ordnen, Emotionen zu verarbeiten und eine fundierte Entscheidung für ihre Zukunft zu treffen. Beziehungscoaching kann diesen Prozess unterstützen, indem es Werkzeuge zur Kommunikation und Konfliktbewältigung bietet. Ein bewusster Umgang mit dem Trennungsjahr kann eine stabile Basis für einen Neuanfang legen – sei es getrennt oder als eine erneuerte Form der Partnerschaft.

Zum Autor

Mehr über Niklas Clamann, Anwalt für Familienrecht findest du auf seiner Seite. 

Bild von Niklas Clamann, Gastartikel Trennungsjahr

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