beispielbild er hört zu

Was du machen kannst, wenn er nicht (richtig) zuhört

Stell dir vor, du sitzt mit deinem Partner oder deiner Partnerin auf dem Sofa und erzählst von deinem langen Arbeitstag. Doch während du sprichst, bemerkst du, dass dein Gegenüber nur oberflächlich zuhört und mit den Gedanken woanders zu sein scheint. Ganz schön nervig, nicht wahr?

 

Anderes Szenario:

Du willst gerade aus der Haustür flitzen und dann fällt dir noch ein: „Denkst du heute bitte noch daran, Hafermilch zu kaufen?“ Noch ein Bussi und weg bist du. Der Tag vergeht, es ist Abend. Schatzi hat alles eingekauft, von den Nudeln bis zum Spülmittel. Doch was fehlt? Richtig, die Hafermilch. Wenn du jetzt schon beim Lesen einen höheren Puls bekommst, dann ist dieser Artikel für dich.

Kommunikation gilt als eine der wichtigsten und erfolgsversprechenden Beziehungsfähigkeiten. Forschende interessieren sich vor allem für Langzeitpaare. Die Frage: Was machen diese Paare, dass sie der Scheidungsquote von mittlerweile 40 % trotzen können? Überraschung: Kommunikationsfähigkeiten sind ein wichtiger Bestandteil.  Doch wer „Kommunikation“ sagt, muss auch „Zuhören“ sagen. In diesem Artikel erfährst du mehr zum Thema Zuhören und wie du mit den oben genannten Situationen umgehen kannst.

Was Zuhören für Beziehungen bedeutet

Kommunikation gilt als ein wichtiger Baustein für gelingende Beziehungen. Doch was viele unterschätzen: es geht nicht nur darum, gelingend zu kommunizieren, indem wir perfekte Sätze formen. Auch das Zuhören ist eine Kommunikationskompetenz. Allerdings eine sehr unterschätzte. In einer Beziehung ermöglicht Zuhören Folgendes.

 

Das bewirkt Zuhören

  • Du teilst Informationen (Tu das noch in die Spülmaschine; Hol du heute die Kinder ab)
  • Es zeigt Interesse (Egal ob gute oder schlechte Nachrichten: das Teilen und das Gehört werden ist ein Balsam!)
  • Es schafft Verbindung und Nähe (weil wir uns nicht nur in dem, was wir sagen, gehört fühlen, sondern als ganzer Mensch gesehen und geschätzt. Das tut gut)
  • Es entschleunigt (Merke: Lieber einmal mehr Zuhören, als direkt den ultimativen Tipp raushauen)
  • Es gibt dem anderen Priorität (Wenn du bereit bist, deine Gedanken und Aktivitäten einmal zu pausieren und einfach nur zuzuhören, zeigst du dem anderen, dass er wichtiger ist als die Tagesschau/Netflixserie)
  • Zeigt, dass der oder die andere wichtig ist
  • Ermöglicht, in die Welt des anderen eintauchen (Egal wie lange eure Beziehung schon geht – du kannst immer etwas Neues entdecken, wenn du zuhörst)

Wenn Zuhören so viele positive Effekte hat, warum hören wir dann zu wenig zu?

Beim Zuhören direkt auf den Einsatz warten

Beispielbild Gespräch als Paar läuft nicht gut

Laut einer Studie können wir lediglich 25 Prozent dessen, was wir hören, wirklich aufnehmen und behalten. Das bedeutet, dass wir bei einem Gespräch oder Vortrag etwa 75 Prozent der Informationen verpassen oder vergessen. Dies verdeutlicht die Herausforderung, die wir beim Zuhören haben und wie leicht wir uns ablenken lassen.

Die gute Nachricht: Studien zeigen auch, dass Training die Zuhörquote deutlich verbessert! Zuhören ist also eine Fähigkeit, die wir entwickeln und verbessern können. Noch eine gute Nachricht: du kannst die Zuhörfähigkeit deines Partners oder deiner Partnerin fördern. Dazu später mehr.

Nicht zuhören als Super-Gau

Sich nicht gehört zu fühlen, ist schrecklich.

Dabei reden wir nicht nur von den kleinen Alltagsdingen „Denk bitte daran, Milch zu kaufen“.

Nein, es geht viel tiefer. All die positiven Effekte des Zuhörens kehren sich um, wenn wir uns nicht gehört fühlen.

Wir fühlen uns nicht wichtig, denken, wir sind keine Priorität und Verbindung und Nähe? Fehlanzeige.

Kein Wunder, dass ein häufiger Vorwurf, den ich in meinen Kommunikationscoachings höre ist: „Er hört mir einfach nicht zu.“

Eine Freundin erzählte mir neulich, dass sie eine Kontaktpause zu ihren Eltern macht. Normalerweise telefoniert sie täglich mit beiden. Da sie in unterschiedlichen Ländern wohnen, ist das Telefonieren ihr Weg, um in Verbindung zu sein. Irgendwann war es meiner Freundin dann aber zu viel – dabei ging es nicht um das tägliche Telefonieren. Es ging um das Zuhören. Sie hat mehrmals folgende Situation erlebt: Sie erzählt, was sie für Pläne für den Tag hat und schildert auch gerne jedes Detail. Am nächsten Tag fragt ihre Mutter sie: Und? Was hast du gestern gemacht?

Autsch – warum rede ich überhaupt mit dir?

Paarkonflikt

Darum hört er manchmal nicht zu

Es klingt so einfach, aber: es ist nicht immer so wie du denkst. Wenn Schatzi die Hafermilch vergisst oder nicht bei der Sache zu sein scheint, wenn du etwas erzählst, dann gibt es gute Gründe.  Möglicherweise haben ein paar der typischen Zuhör-Verhinderer zugeschlagen:

Mehrere Gründe:

  • Die andere Person ist nicht auf Empfang

Unser Gehirn ist permanent Reizen ausgesetzt, die es verarbeitet muss. Dabei selektiert es schon fleißig, sonst droht absolute Überreizung

  • Die andere Person ist im Overload

Der Speicher ist voll.

Ein ganz einfacher Grund, der Zuhören verhindert, kann sein: zu viele andere Gedanken im Kopf. Möglicherweise hängt der andere noch mit dem Kopf in einem Konflikt, der tagsüber passiert ist. Oder schreibt sich im Kopf eine To Do Liste. Auf jeden Fall liegt der Fokus gerade woanders. Das kennen wir doch alle, nicht wahr?

  • Timing

Der Zeitpunkt für Kommunikation spielt eine enorme Rolle. Das Timing entscheidet darüber, ob jemand auf Empfang schalten kann oder nicht. Steht im Denk an das Beispiel mit der Milch. Beim Verabschieden und zwischen Tür und Angel ist ein schlecht gewähltes Timing. Das gilt vor allem dann, wenn die Information für dich subjektiv wichtig ist. In dem Fall geht es um die Milch für den Kaffee, also ist dies eine enorm wichtige Information. 😉

  • Zuhörstörung als Sendestörung

Der Ton macht die Musik und die Person, die die Botschaft empfängt, entscheidet, ob du gehört wirst. Wenn das Zuhören nicht funktioniert, dann mach dir bewusst, wie eindeutig und klar du formulierst.

Ein Experiment zum Übermitteln von Botschaften

Gruppen experiment Zuhören und Kommunizieren

Wenn es um Zuhören geht, geht es auch darum, wie du die Botschaft übermittelst. 

In meinen Vorlesungen zum Thema Beratung und Gesprächsführung habe ich folgendes Experiment mit den Studierenden durchgeführt:

7 Freiwillige gehen vor die Tür. Eine Person darf als Erstes zu mir kommen und ein Bild mit vier Elementen anschauen. Danach soll sie das Bild der nächsten Person, die von draußen hereinkommt, beschreiben. Diese wiederum berichtet dann der nächsten Person, was auf dem Bild ist und so weiter. Spätestens bei der dritten Person fehlt der Auftrag („Ich beschreibe dir jetzt ein Bild und es kann sein, dass du diese Information dann auch weitergeben musst“), und die Beschreibungen werden unklar („Da ist eine Frau mit komischem Gesichtsausdruck“). Die letzte Person darf dann alle Informationen visualisieren. Zwischen dem Anfangsbild und dem Endergebnis liegen Welten. Das liegt nicht nur an der Zuhörfähigkeit, sondern auch daran, wie die Studierenden unter den erschwerten Bedingungen kommunizieren.

Mock Up von Beziehungsratgeber für Frauen

Da hast du endlich mal die Person getroffen, mit der du dir eine Beziehung vorstellen kannst und plötzlich ist es wieder ganz anders? 

In meinem Buch Beziehung kann ich doch greife ich Herausforderungen auf und biete konkrete Hilfestellung.

Schnapp dir doch hier gleich die Leseprobe.

 

 

Tipps, wie das Zuhören in deiner Beziehung gelingt

Du möchtest, dass dein Partner oder Partnerin besser zuhört? Dann habe ich ein paar Tipps für dich. Es gilt: wir können den anderen nicht ändern, wir können aber unser Bestes tun, zuhörförderliche Bedingungen zu schaffen.

Tipp 1: Timing beachten

Ich habe mich oft dabei ertappt, dass ich meinen Partner aus irgendeiner Sache reiße. Er hat seinen Kopf im Laptop oder im Tablett und hat die Fähigkeit, einzutauchen in sein Musikprogramm oder seine peruanische Nachrichtensendung. Ich habe dann aber einen Gedanken und will das erzählen. Irgendwann habe ich mir die Frage gestellt: wie würde es mir gehen, wenn ich beim Blog- oder Buchschreiben im Flow bin und er mich unterbricht? Ich wäre garantiert nicht glücklich. Seitdem kläre ich ab:

„Kannst du gerade zuhören?“ „Ich habe eine Frage, kannst du gerade sprechen?“

Meistens ist die Antwort „Ja“ und selten heißt es: „gleich beim Essen“.

Du kannst deinen Weg finden, die Aufnahmebereitschaft des anderen abzuklären. Glaub mir: es fühlt sich erst komisch an, es lohnt sich aber.

Beispielbild achtsames Zuhören im Gespräch

Tipp 2: Mach wichtige Sachen wichtig

Die Hafermilch ist für dich überlebensnotwendig?Denn schwarzer Kaffee geht gar nicht. Jetzt kommt es: Menschen sind unterschiedlich. In meinem Haushalt gibt es einmal in zwei Monaten Milch und dann auch nur, wenn ich sie von Foodsharing gerettet habe. Dein Partner könnte keinen Kaffee trinken und für das Müsli auch mit Orangensaft zufrieden sein (Ja, Leute machen das). Verstehst du, was ich sagen möchte?

Für dich wichtige Dinge und Informationen können für den anderen einen anderen „Frame“, eine andere Bedeutung haben. Je geringer die Bedeutung, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass eine Information durchrutscht. Das meint die andere Person nicht böse. Deshalb: mach wichtige Sachen wichtig, indem du die Wichtigkeit betonst. „Weißt du, auf meinen täglichen Milchkaffee mag ich nicht verzichten. Das ist mein Lieblings-Morgenritual. Wenn wir keine Milch dahaben, dann ist mein Vormittag ganz freudlos.“ Oder kürzer: „Wenn du heute einkaufen gehst, ist mir eine Sache sehr wichtig: Hafermilch. Die ist nämlich schon alle. Soll ich dir das noch auf Whatsapp schreiben, dass du daran denkst?“

Tipp 3: Overload vermeiden

Kennst du es auch: du hast ein super aktives Gehirn. Du denkst beim Mittagessen schon daran, was du Feines aus den Resten zaubern kannst. Dann fällt dir ein, dass ihr ja noch Tante Gerda gratulieren müsst und ein Geschenk muss auch noch her. Ich liebe es, dass ich so vernetzt denken kann. Gleichzeitig stresst es mich auch und es kann dazu führen, dass ich meinem Partner nicht nur ein, zwei Informationen mitteile – sondern fünf. Die beziehen sich dann sowohl auf die Vergangenheit, die Gegenwart und beinhalten Wünsche an die Zukunft. Ganz ehrlich: wer kann da noch folgen?

Wenn du das von dir kennst: vermeide Overload, wenn du möchtest, dass Schatzi dir auch folgen kann. Es sei denn, du redest nur, um zu reden. Soll es auch geben.

Wenn dir etwas wichtig ist, setze einen Akzent, indem du nicht tausend andere Informationen teilst.

Tipp 4: Klare Kommunikation

Die ideale zuhörförderliche Bedingung schaffst du, wenn du an deiner eigenen Kommunikation schreibst. Formuliere klare Erwartungen und Wünsche.

Beispiel:

„Morgen komm ich spät nach Hause.“

Was möchtest du mit dieser Information mitteilen? Mach dir das klar.

„Ich komme morgen spät nach Hause. Ich möchte, dass du das Abendessen übernimmst, so dasss wir um 17 Uhr essen können. Du kannst (xyz) oder (abc) kochen, dafür haben wir alles da.“

Mehr zur Kommunikation erfährst du auch in meinem Minikurs gelingende Paarkommunikation oder in meiner Toolbox Liebesgeflüster.

Was ist dein nächster Schritt, wenn es um Zuhören in deiner Beziehung geht? Schreib es mir gerne hier in die Kommentare.

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